Datenaustausch zwischen der Landesärztekammer und Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (20.07.2012)

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg bittet die Landesregierung bei der anstehenden, dringend benötigten Novellierung des Heilberufe-Kammergesetzes Baden-Württemberg (HBKG BW) u.a. auch eine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 HBKG BW zur Übermittlung personenbezogener Daten an die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg analog der Regelung der Datenübermittlung an andere Heilberufe-Kammern, an die Versorgungswerke und die Aufsichts- und Approbationsbehörden zu schaffen. Weiterhin bittet die Vertreterversammlung die Landesregierung darum, beim Bundesgesetzgeber darauf hinzuwirken, dass im Sozialgesetzbuch (SGB) eine Regelung zur Übermittlung personenbezogener Daten von den Kassenärztlichen Vereinigungen an die Ärztekammern geschaffen wird.

Begründung: 

Auf die Notwendigkeit einer dementsprechenden Rechtsgrundlage wurde von der Landesärztekammer bereits bei der letzten Novelle des HBKG BW hingewiesen und kürzlich im Kreise der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesbehörden (AOLG) befürwortend diskutiert. Als ein Beispiel, das die Notwendigkeit einer solchen Rechtsgrundlage belegt, sei die Fortbildungsnachweispflicht gemäß § 95d SGB V erläutert:

Zum 1. Januar 2004 wurde die Fortbildungsverpflichtung auch in das SBG V aufgenommen (§ 95d SGB V) und ist nicht mehr nur eine berufsrechtliche Anforderung. Für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeutinnen und -therapeuten bedeutet dies, dass ein Nachweis ihrer Fortbildung alle fünf Jahre gegenüber der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) geführt werden muss. Die Regelung gilt auch für ermächtigte und angestellte Fachärzte. Der Fünf-Jahres-Zeitraum berechnet sich nach dem Datum, dass der Zulassungsausschuss als frühest mögliches Datum für die Aufnahme der Tätigkeit festgesetzt hat (Zulassungsdatum/Ermächtigungsbeginn/ Genehmigung des Anstellungsverhältnisses). Der Nachweis musste erstmals zum 30. Juni 2009 geführt werden. Dies betraf alle Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), die seit dem 30. Juni 2004 in der vertragsärztlichen Versorgung tätig waren.

Wird der Nachweis nicht fristgerecht geführt, wird in den ersten vier Quartalen, die auf den Fünf-Jahres-Zeitraum folgen, das Honorar jeweils um zehn Prozent gekürzt. In den darauf folgenden Quartalen erfolgt eine Kürzung um jeweils 25 Prozent (§ 95d Abs. 3 S. 3 SGB V). Die Honorarkürzung endet erst nach Ablauf des Quartals, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wurde. Ist nach zwei Jahren der Nachweis noch nicht erbracht, hat die KV laut Gesetz beim Zulassungsausschuss unverzüglich einen Antrag auf Entzug der Zulassung zu stellen (§ 95d Abs. 3 S. 7 SGB V).

1. Wie ist der geforderte Nachweis zu führen?

Im geforderten Fünfjahres-Zeitraum sind 250 Fortbildungspunkte nachzuweisen. 50 Punkte können aus dem Eigenstudium anerkannt werden, alle weiteren Punkte müssen über von den Kammern anerkannte Fortbildungen gesammelt werden. Hierbei ist es nicht relevant, ob die Punkte über anerkannte Veranstaltungen oder anerkannte Online-Fortbildungen erworben werden.

Der Nachweis kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Der Vertragsarzt oder der Vertragspsychotherapeut kann

  • ein Fortbildungszertifikat der Ärztekammer oder der Psychotherapeutenkammer innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums nachweisen (§ 2 der Regelung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Fortbildungsverpflichtung der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nach § 95d SGB V).
  • in diesem Zeitraum ein Zertifikat oder eine sonstige Bescheinigung vorlegen, die nicht von einer Ärztekammer oder Psychotherapeutenkammer ausgestellt ist. Das Zertifikat enthält jedoch die Feststellung, dass die geforderte Fortbildung absolviert worden ist und die zugrunde liegenden Fortbildungsmaßnahmen in ihrer Summe, ihrer Struktur, ihrer Bewertung und den Bewertungsvoraussetzungen den Anforderungen entsprechen, die die Bundesärztekammer oder Bundespsychotherapeutenkammer in ihren Musterregelungen an die Vergabe eines Fortbildungszertifikats stellen. Die Prüfung obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung. Sie kann hierzu grundsätzlich eine gutachterliche Stellungnahme der Ärztekammer oder Psychotherapeutenkammer einholen (§ 3 Abs. 3 der KBV-Regelung).
  • in Ausnahmefällen Einzelnachweise über Fortbildungen vorlegen, die in ihrer Summe, ihrer Struktur, ihrer Bewertung und den Bewertungsvoraussetzungen den Anforderungen entsprechen, welche die Bundesärztekammer oder Bundespsychotherapeutenkammer in ihren Musterregelungen an die Vergabe eines Fortbildungszertifikats stellen (§ 3 Abs. 1 der KBV-Regelung). Die KV kann auch hierzu grundsätzlich eine gutachterliche Stellungnahme der Ärztekammer oder Psychotherapeutenkammer einholen (§ 3 Abs. 3 der KBV-Regelung).

 
2. Wie erhält die KV Kenntnis über das Zertifikat, die Bescheinigungen?

Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Es bestehen Vereinbarungen zwischen der Landesärzte- bzw. Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg einerseits und der KVBW andererseits. Diese Vereinbarungen regeln den Datenaustausch zwischen der jeweiligen Kammer und der KVBW. Bei denjenigen Kammermitgliedern, die dies wünschen und die ihrer Kammer ihre Einwilligung zur Datenweitergabe an die KVBW erteilt haben, erhält die KVBW automatisch nach Erteilung eines Fortbildungszertifikats eine entsprechende Information.
  • Ärztinnen und Ärzte bzw. Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die nicht in die Datenübertragung eingewilligt haben, müssen ihren Nachweis durch Vorlage der unter Ziffer 2 aufgeführten Bescheinigungen bzw. Zertifikate führen.

3. Wie sieht der Verwaltungsablauf in der KV bis zum Zulassungsentziehungsverfahren aus?

Ärztinnen und Ärzte bzw. Psychotherapeutinnen und -therapeuten, von denen noch kein Zertifikat vorliegt, werden mindestens drei Monate vor Ablauf der Frist angeschrieben und auf das nahende Fristende hingewiesen. Wird der Aufforderung auf Vorlage einer der o.g. Nachweise nicht Folge geleistet, folgen weitere Schreiben an den oder die Betreffende zu definierten Zeitpunkten (vor der ersten Honorarkürzung, vor der zweiten Honorarkürzung, ein letztes Schreiben kurz vor Ende des achten Kürzungsquartals (= Ende der Nachholfrist) durch den Vorsitzenden des Vorstands). Alle Schreiben weisen explizit auf die Konsequenzen, insbesondere die drohende Zulassungsentziehung, hin. Letzte Maßnahme der Verwaltung vor dem Antrag auf Zulassungsentziehung ist ein Telefonat mit dem betreffenden Arzt/Psychotherapeuten durch die zuständige Sachbearbeiterin.

Kommt es zur Honorarkürzung, wird diese in einer gesonderten Anlage zum Honorarbescheid ausführlich erläutert. Es wird unmissverständlich deutlich, dass die Kürzung als Sanktion aufgrund des fehlenden Fortbildungsnachweises erfolgt.

4. Das Zulassungsentziehungsverfahren

Nach acht Quartalen Honorarkürzung stellt die KVBW einen Antrag auf Entziehung der Zulassung (§ 27 S. 2 Ärzte-ZV) wegen gröblicher Verletzung vertragsärztlicher Pflichten. Der Gesetzgeber sieht dies als „Regelfall“ zu diesem Zeitpunkt vor (siehe Gesetzesbegründung zum § 95d SGB V).

Der Antrag an den Zulassungsausschuss ist mit Gründen zu versehen. Die KVBW kann nur über das Mitglied selbst oder über die jeweils zuständige Kammer Auskünfte über den aktuellen Stand der Fortbildung erhalten. Nach den vergeblichen Versuchen der Kontaktaufnahme über zwei Jahre hinweg ist davon auszugehen, dass auch im weiteren Verfahren keinerlei Kooperation der oder des Betreffenden - weder in Bezug auf eine Vorlage von Fortbildungsbescheinigungen oder -zertifikaten, noch in Form einer Einwilligung in eine Einsicht in das Fortbildungskonto - zu rechnen ist. Die Auskunft über eventuell tatsächlich vorhandene bzw. nicht vorhandene Fortbildungspunkte ist aber für den Zulassungsausschuss eine wichtige Entscheidungsgrundlage, da nicht zwingend eine Entziehung der Zulassung folgen muss.

Die Zulassungsausschüsse sind rechtlich und organisatorisch selbstständig (siehe Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung, Rz 2 zu § 34). Sie erheben die ihnen erforderlich erscheinenden Beweise (§ 39 Abs.1 Ärzte-ZV). Aber auch hier ist der Zulassungsausschuss entweder auf die Mitwirkung des Arztes/Psychotherapeuten angewiesen, der dazu nicht verpflichtet ist (Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung, Rz 6 zu § 39) oder er erhält die Information über die Landesärzte- bzw. Psychotherapeutenkammer.

5. Fazit

Die KVBW und die Zulassungsausschüsse sind im Rahmen der Zulassungsentziehungsverfahren auf die zusätzliche Kenntnis von Tatsachen angewiesen, die nur der jeweiligen Kammer bekannt sind. Gleiches gilt für Bescheinigungen und ggf. Fortbildungszertifikate (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB X). Das derzeit praktizierte, sehr arbeitsaufwändige Verfahren der Amtshilfe ist für diesen quartalsweise wiederkehrende Vorgang datenschutzrechtlich nicht unproblematisch.

letzte Änderung am 23.07.2012

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