Fundamentaler Angriff auf die Grundrechte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (21.11.2014)

Die Landesärztekammer Baden-Württemberg fordert die Bundesregierung auf, den Entwurf eines Tarifeinheitsgesetzes zurückzuziehen und das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen.

Der Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums ist ein fundamentaler Angriff auf die freie gewerkschaftliche Betätigung der Arbeitnehmer, wie sie in Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes "für jedermann und für alle Berufe" garantiert ist. Durch den gesetzlichen Zwang zur Tarifeinheit werden nicht nur die Ärztinnen und Ärzte, die Mitglieder des Marburger Bundes sind, ihrer Tarifautonomie und ihres Streikrechts beraubt. Das Gesetzesvorhaben richtet sich ebenso gegen die Existenz des Marburger Bundes und anderer Berufs- bzw. Spartengewerkschaften sowie gegen die eigenständige tarifpolitische Vertretung der angestellten Ärztinnen und Ärzte wie auch aller anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Ziel des Gesetzes ist nach Aussage von Bundeskanzlerin Merkel, Neugründungen von Gewerkschaften zu verhindern (Arbeitgebertag 11/2014). Darüber hinaus soll das Streikrecht eingeschränkt werden (Bundesministerin Nahles, FAZ 27.10.2014). Das ist Verfassungsbruch und schränkt die Grundrechte jedes Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland ein.

Die Grundannahmen und Begründungen für das Tarifeinheitsgesetz sind falsch. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie ist durch die Tarifpluralität in keiner Weise gestört. Es gibt keine Fragmentierung der kollektiven Interessenvertretung, sondern eine vom Grundgesetz ausdrücklich gewollte gewerkschaftliche Vielfalt. Dieser Koalitionspluralismus ist kein Beleg für Unordnung und Unfrieden in den Betrieben, sondern lebendiger Ausdruck unterschiedlicher Herangehensweisen und Schwerpunktsetzungen in der Tarifpolitik. Nicht berufsspezifische Tarifverträge gefährden den Betriebsfrieden, sondern tariflose Zustände, willkürliche Betriebsausgründungen, Mitgliedschaften ohne Tarifbindung in Arbeitgeberverbänden und Lohndumping der Arbeitgeber.

Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie setzen voraus, dass der Staat nicht einseitig für die Interessen der Arbeitgeberverbände und großen Gewerkschaften Partei ergreift. Der Entwurf des Tarifeinheitsgesetzes zielt aber darauf ab, das Tarif- und Machtkartell der Arbeitgeber und der Einzelgewerkschaften im DGB dauerhaft mit der


Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbeziehungen aller Arbeitnehmer in diesem Land zu beauftragen.

Eine Neugründung tariffähiger Gewerkschaften wäre praktisch nicht mehr möglich. Das betrifft jeden Arbeitnehmer in Deutschland.

Existierende tariffähige Gewerkschaften wie der Marburger Bund sollen zu Sekundär-Gewerkschaften herabgestuft werden, die vom Wohlwollen der Arbeitgeber und der Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb abhängig sind. Durch die ausdrückliche Eliminierung von Tarifverträgen der Minderheitsgewerkschaften erhalten die sogenannten Einheitsgewerkschaften de facto und de jure ein staatlich sanktioniertes Alleinvertretungsrecht für alle Beschäftigten eines Betriebes. Ein solches Zweiklassenrecht für Gewerkschaften steht im völligen Gegensatz zu der grundgesetzlich geschützten Koalitionsfreiheit. Deshalb spielt es keine Rolle, dass das Streikverbot als Konsequenz einer verordneten Tarifeinheit nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt wird. Ein Streik ohne tariflich regelbares Ziel ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unverhältnismäßig und damit unzulässig. Es ist daher eine grobe Irreführung der Öffentlichkeit, wenn nicht gar eine bewusste Lüge, fortgesetzt zu behaupten, das Tarifeinheitsgesetz sehe keine Einschränkung des Streikrechts vor.

letzte Änderung am 24.11.2014

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