Kinderschutzambulanzen für misshandelte Kinder dringend notwendig

Landesärztekammer: "Die Landespolitik sieht keinen Handlungsbedarf" 

Stuttgart, den 22.03.2006. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg schlägt Alarm: Kindesmisshandlungen, sexueller Missbrauch und Vernachlässigung von Kindern sind nach wie vor hoch aktuell, auch im Südwesten. Kinderärzte in Praxis und Klinik werden leider immer wieder mit dieser Thematik konfrontiert. "Daher fordern wir seit 13 Jahren gebetsmühlenartig von der Landespolitik die Einrichtung von Kinderschutzambulanzen," so Dr. med. Anne Gräfin Vitzthum, Vorsitzende des Ausschusses "Gewalt gegen Kinder" der Landesärztekammer Baden-Württemberg. "Aber die Politik lässt uns - und damit auch die körperlich und/oder seelisch misshandelten Kinder - seit mehr als zehn Jahren im Stich." 

Bereits 1994 haben Experten der Landesärztekammer maßgeblich am Enquetebericht für den Landtag Baden-Württemberg mitgearbeitet. Damals wurde von der Landesregierung die Einrichtung von Kinderschutzambulanzen an den Kinderkrankenhäusern ausdrücklich zugesagt. "Geschehen ist bis heute jedoch nichts, außer, dass wir auf unsere Nachfragen immer wieder die Antwort bekamen, die Versorgung misshandelter Kinder sei gewährleistet. - Unsere Geduld ist jetzt zuende, deshalb gehen wir im Vorfeld der Landtagswahl an die Öffentlichkeit," so Gräfin Dr. Vitzthum.

"Kinderschutzambulanzen sollen nicht nur körperliche Misshandlungen therapieren, sie sollen auch mit psychologischen und pädagogischen bzw. sozialtherapeutischen Fachkräften ausgestattet werden, die zugleich auf die Möglichkeiten einer Kinderklinik zurückgreifen können, denn Gewalt gegen Kinder ist ein fachübergreifendes Problem," so Dr. med. Jens-Uwe Folkens, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Offenburg." - "Wir brauchen dringend Kinderschutzambulanzen, um offen - und ohne Abrechnungssysteme im Nacken - auf Kinder und Eltern zugehen zu können," betont Eberhard Schilling, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin aus Stuttgart. Und er ergänzt: "Die Verbesserung der Behandlung von vernachlässigten und misshandelten Kindern erhöht nicht zuletzt auch die Chancen für die Vermeidung von gravierenden Entwicklungsstörungen." 

Kinderschutzambulanzen sind nach Aussage der Experten der Landesärztekammer Baden-Württemberg die notwendige Ergänzung im immer lückenhafter gewordenen Hilfesystem. Sie ermöglichen Beratung und Information über Entstehung und Auswirkung von Gewalt und über Hilfsmöglichkeiten. Die wichtigsten Aufgaben sind jedoch - neben der medizinischen Versorgung der Misshandlungsfolgen - die kinderpsychiatrische und kinderpsychologische Diagnostik und Therapie, Beratung für Eltern im Umgang mit den Folgen von Gewalt sowie therapeutische Hilfe für Kinder, Eltern und Familien und auch für Misshandler/innen, um Wiederholungstaten zu vermeiden.

Stand: 22.03.2006

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letzte Änderung am 22.03.2006