Transplantationsbeauftragte - die Pflicht der Krankenhäuser

Stellungnahme von Dr. med. Ulrike Wahl, Präsidentin der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Das Gesetz zur Einführung eines Transplantationsbeauftragten in Kliniken mit Intensivbetten betrifft die Schnittmenge zwischen zwei unterschiedlichen Problemkreisen.

Auf der einen Seite der Mangel an Spenderorganen in Deutschland und speziell in Baden- Württemberg. Wir liegen mit 138 Organspenden in 2005 an vorletzter Stelle in der Bundesrepublik. Demgegenüber stehen allein in Baden Württemberg rund 1500 Menschen auf der Warteliste, Menschen, die zum Überleben auf ein fremdes Organ angewiesen sind. Hinter diesen dürren Zahlen verbergen sich unendlich viel menschliches Leid und erschütternde Lebensläufe. Diese dürren Zahlen machen klar, dass wir alle alles tun müssen was möglich ist, um die Akzeptanz der Organspende und die Bereitschaft zur Organspende zu erhöhen. 

Eine Schlüsselstellung nehmen zweifellos die Krankenhäuser ein. Sie haben die Verpflichtung, mögliche Organspender - also Patienten, bei denen Zeichen des Hirntods festgestellt werden - dem Transplantationszentrum zu melden. Von entscheidender Bedeutung hierfür ist die Motivation des ärztlichen und pflegerischen Personals. Motivation setzt Information voraus, und hier liegt ein Schwerpunkt der Tätigkeit des Transplantationsbeauftragten. Er informiert über Chancen und Möglichkeiten der Transplantationsmedizin und ihres rechtlichen Rahmens, er schafft die organisatorische Infrastruktur für den Fall einer Organspende und übernimmt die Meldungen an die DSO.

Eine beachtliche Aufgabe, die der beauftragte Arzt zusätzlich zu seiner eigentlichen Tätigkeit wahrnehmen soll. Und damit kommen wir zu dem bereits angekündigten zweiten Problemkreis, der die Effektivität des Transplantationsbeauftragten entscheidend beeinflussen wird: 

Es geht um die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser, und es geht vor allem um die Arbeitsbedingungen der dort angestellten Ärztinnen und Ärzte. Was in den Kliniken los ist, darüber ist in den letzten Monaten ausführlich berichtet worden. Der Aufruhr, die Proteste und die Demonstrationen an Uniklinika und kommunalen Krankenhäusern kamen nicht von ungefähr. Die enorme Arbeitsverdichtung bei knapper Stellenkalkulation und hoher Dienstbelastung erzeugt ein Klima von Frust und Demotivation. 

In diese Situation hinein hat uns der Gesetzgeber eine neue Aufgabe zugeteilt, den Transplantationsbeauftragten. Es soll ein erfahrener Facharzt sein mit hoher Akzeptanz durch die beteiligten Abteilungen, kurz ein Leistungsträger. Ihm wird die Mitarbeiterschulung, Organisation, Aufklärungsarbeit und auch noch Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Organspende übertragen. Eine wichtige Aufgabe und demzufolge steht im Gesetz: "Für diese Arbeit ist er freizustellen." Freistellung heißt: Die Arbeit muss von anderen übernommen werden; diese anderen haben aber ebenfalls keine Valenzen mehr frei. Also müssen zusätzliche Kräfte eingestellt werden. Und damit kommen wir zu meinem Hauptkritikpunkt.

Die Finanzierung ist nicht gesichert.

Ich zitiere aus der Gesetzesbegründung: "(die Freistellung)... führt gegebenenfalls zu personellen Mehrausgaben. Die entstehenden Kosten sind den Kosten für die Krankenversorgung zuzuordnen. Diese sind nach Vereinbarung der Selbstverwaltungsgremien auf Bundesebene nach § 11 Abs. 2 des Transplantationsgesetzes durch die Krankenkassen abzudecken."

§ 11 Abs. 2 TPG spricht von der Abgeltung von Leistungen der Krankenhäuser, die „im Rahmen der Organentnahme“ erbracht werden. Die Abgeltung erfolgt über fallbezogene Leistungsmodule im Zusammenhang mit einer Organentnahme. Der Daueraufwand für einen Transplantationsbeauftragten findet hier keine Nennung.
Logischerweise weigern sich die Kostenträger denn auch, einer Pauschalvergütung für den personellen Mehraufwand zuzustimmen. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Kliniken die Zusatzkosten aus eigener Tasche finanzieren.

Der Gesetzentwurf verweist darauf, dass eine Kostenregelung durch das Land unterbleibe, da sie systemwidrig und verfassungsmäßig problematisch sei . Das mag richtig sein, hilft uns in dem Falle aber nicht weiter.

Fazit: 
Die Landesärztekammer Baden Württemberg begrüßt die Gesetzesinitiative des Landes zum Transplantationsbeauftragten. Organspende ist eine Gemeinschaftsaufgabe und aller Anstrengungen wert.

Ob der Transplantationsbeauftragte tatsächlich den direkten Einfluss auf die Zahl der Organspenden haben wird, ist allerdings noch nicht erwiesen. Wird keine angemessene Finanzierung gefunden, dann besteht die Gefahr, dass die Tätigkeit des Transplantationsbeauftragten zum Papiertiger verkümmert oder - worst case - zu Lasten der regulären Patientenversorgung geht .

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Stand: 20.02.2006

letzte Änderung am 20.02.2006