Neue GOÄ: Auslegungsfragen

Die Vierte Änderungsverordnung zur GOÄ, in Kraft getreten am 1.1.1996, wirft eine Reihe von Auslegungsfragen auf, die in den zuständigen Fachgremien - unter Hinzuziehung der Rechtsabteilung - beraten worden sind. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat auf dieser Grundlage eine Stellungnahme hierzu beschlossen. Die nachstehend veröffentlichten Auslegungen betreffen die Voraussetzungen zur Erbringung von Laborleistungen und die Regelung des Liquidationsrechts im stationären Bereich, hier die Benennung des ständigen ärztlichen Vertreters.

Abrechnung von Laborleistungen

Zur Abrechnung von Laborleistungen, insbesondere auf der Grundlage des neu strukturierten Abschnittes M "Laboratoriumsuntersuchungen", ist innerhalb der Ärzteschaft erhebliche Unruhe entstanden, weil unterschiedliche Interpretationen zur Berechnung, vor allem von Speziallaborleistungen, bekannt gegeben worden sind. Um Fehlinterpretationen der Neuregelung und damit der Verunsicherung in der Ärzteschaft entgegenzuwirken, ist zunächst generell festzustellen, dass die Neufassung des § 4 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GOÄ die Delegation von Leistungen des Speziallabors einschränkt und höhere Anforderungen an die Erbringung dieser Leistungen stellt.

Die Akzeptanz dieser Neuregelung wird dadurch beeinträchtigt, dass einige Laborparameter (zum Beispiel Schilddrüsenparameter und Rheumafaktor) abweichend von der im übrigen vergleichbaren EBM-Regelung anstatt dem Basislabor M II dem Speziallabor M III zugeordnet worden sind. Die Bundesärztekammer wird sich beim Bundesministerium für Gesundheit dafür einsetzen, dass dies korrigiert wird. Trotz dieser Mängel in der Zuordnung von Laborleistungen ist die Neustrukturierung geltendes Recht und damit für den Arzt verbindlich. Würde diese Neuregelung in Frage gestellt und würde - wie dies eine Ärzte-Initiative eingebracht hat - von Seiten der Ärzteschaft eine sofortige isolierte Korrektur des § 4 Abs. 2 Satz 2 gefordert, muss damit gerechnet werden, dass die mit der GOÄ-Novelle gerade beendete Labordiskussion insgesamt neu aufgerollt würde. Das ursprüngliche Konzept der Politik einer weitgehenden Ausgliederung des Labors als ärztliche Leistung aus der GOÄ und die Vergütung von Laborleistungen nach Kostensätzen würde wieder aufleben. Auf die Entschließung des Bundesrats zur Berichtspflicht der Bundesregierung über die Neuordnung von Laborleistungen wird hingewiesen. Mit der Neustrukturierung des Laborkapitels und der Differenzierung zwischen Akut-/Praxislabor (M I), einem delegierbaren Basislabor (M II) und einem an qualifizierte Voraussetzungen gebundenen Speziallabor (M III/M IV) konnte nicht nur das Labor als ärztlicher Leistungsbereich erhalten, sondern auch verhindert werden, dass die Bewertungen der Laborleistungen insgesamt noch weiter abgesenkt worden sind.

Demgegenüber hat der Verordnungsgeber der Amtlichen Gebührenordnung die von der Ärzteschaft selbst aufgestellten Prinzipien zur Erbringung und Abrechnung von Laborleistungen in die Novelle der GOÄ übernommen; eine ähnliche Struktur gilt bereits seit längerer Zeit im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen und ist damit für die vertragsärztliche Versorgung fest verankert. Die qualifizierte persönliche Mitwirkung des Arztes an der Erbringung von Leistungen des Speziallabors ist im übrigen auch Grundlage für die entsprechend höhere Bewertung dieser Leistungen in der novellierten GOÄ. Die häufig formulierte Forderung an die Bundesärztekammer, diese Strukturierung rückgängig zu machen, verkennt die dann zu erwartenden gesetzgeberischen Maßnahmen in diesem Bereich. Der sowohl in der vertragsärztlichen als auch in der privatärztlichen Versorgung seit Jahren schwelende innerärztliche Konflikt muss dahingehend beigelegt werden, dass die in der GOÄ vorgenommene Abgrenzung zwischen delegierbaren Laborleistungen einerseits und an besondere Qualifikationen und Aufsichtspflichten gebundenen Laborleistungen andererseits zum Tragen kommt, um den Erhalt des Labors als ärztliche Leistung zu sichern. Aus diesem Grunde empfehlen wir dringend, die höheren Anforderungen an die Erbringung und Abrechnung von Spezialleistungen zu akzeptieren.

Vorhalteleistungen in der eigenen niedergelassenen Praxis (M I) – Praxislabor

Das Praxislabor nach Abschnitt M I ist als Akutlabor in der eigenen niedergelassenen Praxis vorzuhalten. Es ist deshalb auch mit eigenständigen Leistungspositionen und Bewertungen in die GOÄ aufgenommen worden. Leistungen dieses Praxislabors sind entsprechend den Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt M I (Nrn. 3500 bis 3532) nur berechnungsfähig, wenn die Laboruntersuchungen direkt beim Patienten - dies kann auch beim Hausbesuch sein - oder in den eigenen Praxisräumen innerhalb von vier Stunden nach der Probenentnahme beziehungsweise Probenübergabe an den Arzt erfolgt. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die Berechnungsfähigkeit dieser Leistungen bei Leistungserbringung in einem Krankenhaus, einer krankenhausähnlichen Einrichtung, einer Laborgemeinschaft oder in einer laborärztlichen Praxis. Da die Leistungserbringung im Krankenhaus ausdrücklich ausgeschlossen ist und dieser Abschluss nicht auf stationäre Wahlleistungen begrenzt ist, können Leistungen des Abschnittes M I auch nicht im Rahmen der ambulanten Sprechstundenbehandlung des Krankenhausarztes berechnet werden.

Basislabor

In § 4 Abs. 2 Satz 2 ist die Delegation von Laborleistungen an eine Laborgemeinschaft - oder aus von Ärzten ohne eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors - auf Leistungen des Abschnittes M II begrenzt worden. Insofern gilt die bisherige Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ, die sich nach altem Recht auf alle Laborleistungen, das heißt alle Leistungen des Abschnitts M, bezog, in der neuen GOÄ nur noch für Leistungen des Abschnittes M II.

Speziallabor (M III/IV)

Aus der Formulierung des § 4 Abs. 2 Satz 2 und der Einschränkung, dass die dort vorgesehene besondere Form der Erbringbarkeit und Berechenbarkeit als fiktiv eigene Leistungen sich nur auf Laborleistungen des Abschnittes M II des Gebührenverzeichnisses (Basislabor) beziehen kann, ist zu schließen, dass Leistungen der Abschnitte M I (vgl. oben) und M III und M IV anderen Bedingungen unterworfen worden sind. Dies ist neben der gesetzlichen Regelung auch der Begründung zum Regierungsentwurf zu entnehmen. So ist im Allgemeinen Teil der Begründung ausgeführt, dass es dem Verordnungsgeber um eine Einschränkung der "Beziehbarkeit" von Laborleistungen aus Laborgemeinschaften auch im privatärztlichen Bereich geht.

Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen Leistungen der Abschnitte M III und M IV gebührenrechtlich als eigene Leistungen abgerechnet werden dürfen, ist § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ maßgeblich:

"Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen)."

  • Die erste Variante wirft keine besonderen Probleme auf - gemeint ist die "höchstpersönliche" Leistungserbringung durch den Arzt selbst.
  • Für die praktische Problematik kommt es im wesentlichen auf die Interpretation der zweiten Variante an: "unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung".

a) "Fachliche Weisung": Die fachliche Weisung stellt ab auf die berufsrechtlichen Qualifikationen zur Erbringung von Laborleistungen nach der (Muster-) Weiterbildungsordnung und deren jeweilige Umsetzung in verbindliches Satzungsrecht auf der Ebene der Landesärztekammern.

b) "Aufsicht des abrechnenden Arztes": Ferner setzt die Abrechenbarkeit als eigene Leistung voraus, dass sie unter der Aufsicht des abrechnenden Arztes durch nichtärztliches Personal erbracht worden ist. Dies zwingt nicht in jedem Falle dazu, dass das nichtärztliche Personal ausschließlich Personal des abrechnenden Arztes sein muss, so dass auch die Erbringbarkeit in einer Praxisgemeinschaft, welche Träger eines gemeinschaftlichen Labors ist, als rechtlich zulässig angesehen werden muss.

Sicherzustellen ist auf jeden Fall aber, dass das nichtärztliche Personal beaufsichtigt, das heißt auch der Einzelweisung des abrechnenden Arztes unterstellt ist und unter dessen Verantwortung tätig wird. Die Einleitung zum Abschnitt M bestimmt zum gebührenrechtlichen Inhalt der Laborleistungen: "Die Gebühren für Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts M umfassen die Eingangsbegutachtung des Probenmaterials, die Probenvorbereitung, die Durchführung der Untersuchung (einschließlich der erforderlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen) sowie die Erstellung des daraus resultierenden ärztlichen Befunds."

Nach dem zuvor Gesagten sind dementsprechend alle Leistungen der Abschnitte M III und M IV nach den Regeln der persönlichen Leistungserbringung vom Arzt selbst oder unter seiner Aufsicht nach seiner fachlichen Weisung auszuführen, wenn eine Delegation der Leistungsausführung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zulässig ist, was bei der Mehrzahl der Leistungen des Abschnitts M III und M IV der Fall sein dürfte.

In solchen Fällen ergibt sich daher gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ (1996) die Notwendigkeit, dass der Arzt grundsätzlich bei allen Schritten der Leistungserstellung persönlich anwesend ist, auch wenn er das Labor einer Laborgemeinschaft zur eigenen Leistungserbringung in Anspruch nimmt. Während der technischen Erstellung durch automatisierte Verfahren, welche im Labor ausgeführt werden, ist allerdings die persönliche Anwesenheit während dieses Teilschritts nicht erforderlich.

Zur Wahrnehmung der "Aufsicht" sind mindestens folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

Sicherstellung ordnungsgemäßer Probenvorbereitung;

die regelmäßige - stichprobenartige - Überprüfung der ordnungsgemäßen Laborgerätewartung und der Bedienungsabläufe durch das Laborpersonal einschließlich der Durchführung der Qualitätssicherungsmaßnahmen;

  • die persönliche und nicht nur telefonische Erreichbarkeit innerhalb kurzer Zeit zur Aufklärung von Problemfällen:
  • die persönliche Überprüfung der Plausibilität der aus einem Untersuchungsmaterial erhobenen Parameter im Labor nach Abschluss des Untersuchungsganges, um bei auftretenden Zweifeln aus derselben Probe eine weitere Analyse zeitgerecht durchführen zu können;
  • die unmittelbare Weisungsberechtigung gegenüber dem Laborpersonal;
  • die Dokumentation der Wahrnehmung der Verantwortung.

Ständiger ärztlicher Vertreter bei wahlärztlichen Leistungen

Die Neuregelung in § 4 Abs. 2 Satz 3 sieht vor, dass für die darin genannten Leistungen - Aufnahme- und Entlassungsuntersuchungen, Visiten etc. - ein Liquidationsrecht nur dann besteht, wenn die Leistungserbringung durch den Wahlarzt selbst oder durch den vor Abschluss des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten persönlichen ärztlichen Vertreter erfolgt; dieser muss Facharzt desselben Gebietes sein. Nach § 5 Abs. 5 erfordert die Liquidationsfähigkeit von wahlärztlichen Leistungen im oberen Teil des Gebührenrahmens ebenfalls entweder die persönliche Leistungserbringung des Wahlarztes oder die Erbringung durch den vor Abschluss des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten ständigen ärztlichen Vertreter. Bei einer Delegation wahlärztlicher Leistungen auf andere Ärzte ist eine Liquidation nur bis zum Schwellenwert möglich.

Nach den gesetzlichen Vorgaben ist die Benennung eines ständigen ärztlichen Vertreters bei der Behandlung eines bestimmten Wahlleistungspatienten erforderlich; ein Wechsel in der Vertretung ist nicht zulässig. Wenngleich nur ein ständiger ärztlicher Vertreter für den jeweiligen Wahlarztvertrag mit einem Wahlleistungspatienten benannt werden kann, muss es dennoch möglich sein, aufgrund der funktionalen Schwerpunktbildung oder Arbeitsteilung einer Krankenhausabteilung ständige ärztliche Vertreter jeweils für einzelne Funktions- oder Arbeitsbereiche zu haben. Auch insoweit ist jedoch die Benennung eines ständigen ärztlichen Vertreters vor Abschluss des jeweiligen Wahlarztvertrages erforderlich, da der nachträgliche Wechsel nicht möglich ist. Bei Ausscheiden eines ständigen ärztlichen Vertreters aus dem bisherigen Tätigkeitsbereich muss allerdings eine Nachbenennung des Funktionsnachfolgers möglich sein.

Die gleiche Handhabung gilt für die gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 Bundespflegesatzverordnung (BPflVO) einbezogenen liquidationsberechtigten Krankenhausärzte (Liquidationskette). Auch sie müssen als Voraussetzung einer zulässigen Delegation an ihren jeweiligen ständigen Vertreter diesen gegenüber dem Patienten vor Abschluss des Wahlarztvertrages benennen. Es empfiehlt sich deswegen aus Gründen der Rechtssicherheit, die jeweiligen ständigen ärztlichen Vertreter der leitenden Krankenhausärzte vor der Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen - in der Regel im Zusammenhang mit dem Krankenhausaufnahmevertrag - dem Patienten gegenüber zu benennen.

aus: Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 9 (01.03.1996), Seite A-562

Bekanntgaben der Herausgeber: Bundesärztekammer

letzte Änderung am 22.03.1999

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