Medizinstudenten von heute sind die Kammermitglieder von morgen

Südwest-Ärztetag will Nachfolger fördern

Die baden-württembergischen Ärztetage dienen der offenen Diskussion über aktuelle Themen, nicht nur innerhalb der Ärzteschaft, sondern auch mit der Politik, den Krankenkassen und zahllosen weiteren Partnern. In diesem Jahr standen der Ärztemangel und das neue Selbstverständnis der nachrückenden Ärztegeneration im Mittelpunkt der öffentlichen Veranstaltung im Freiburger Konzerthaus. Über 200 Gäste waren gekommen und wurden von Kammerpräsident Dr. Ulrich Clever freundlich begrüßt und ins Thema eingeführt. Dr. Monika Vierheilig, Abteilungsleiterin im Sozialministerium, übermittelte der Ärzteschaft die Grüße und den Dank von Gesundheitsministerin Katrin Altpeter für die tagtäglich geleistete hochqualifizierte Arbeit.

Spreng

Der Journalist, Medien- und Kommunikationsberater Michael Spreng brachte ein viel beachtetes Impulsreferat mit dem Titel "Ärzte, Medien, Öffentlichkeit - kränkelt die Kommunikation?" über die Rampe. Er diagnostizierte, warum sich Ärzte mit der Kommunikation ihrer eigenen Interessen häufig schwer tun: Wenige "Organtransplantationsmanipulierer" und "übereifrige Hüftoperierer" prägen nach seiner Beobachtung das Bild der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit stärker als die große Mehrzahl der Ärztinnen und Ärzte, die "aufopferungsvolle Arbeit" leisten.

Und was sollte die Ärzteschaft angesichts einer Medienlandschaft tun, die durch einen harten Konkurrenzkampf geprägt ist und deshalb zur Skandalisierung neigt? "Keine falsche Solidarität mehr. Auch Schweigen ist falsche Solidarität. Die schwarzen Schafe benennen, die sinnlosen Operationen, die Geldschneider, die IGeL-Superoptimierer. Sie brandmarken, statt sie zu schützen." Nur so werde die Ärzteschaft nach Sprengs Worten von der Öffentlichkeit als glaubwürdig wahrgenommen.

Außerdem empfahl der Referent der Ärzteschaft, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen: Die Behandlungserfolge, die "diagnostischen Superleistungen" und der medizinische Fortschritt seien das Positive, über das die Ärzteschaft reden müsse - und weniger über Geld. Denn: "Ärzte und Geld - das ist den meisten Menschen fremd, das beschädigt ihr idealisiertes Bild vom guten, selbstlosen Heiler."

Ärzte und ihre Berufsvertretungen könnten in ihrer Außendarstellung erfolgreicher sein, wenn sie nicht als Anwälte ihrer selbst, sondern als Anwälte der Patienten aufträten, so Kommunikationsprofi Spreng: "Wenn sie klug sind, sind sie keine Ärzte- Lobby, sondern eine Patienten-Lobby. Nur dann können sie auch Multiplikatoren ihrer eigenen Interessen sein. Dem Selbstlosen wird eher gegeben als dem egoistischen Interessenvertreter."

Die Ärzteschaft sollte nach Sprengs Ansicht die Politik und die Medien verblüffen, denn diese erwarteten, dass die Ärzte mehr Geld wollen. Daher forderte Spreng ein neues Selbstverständnis: "Sie wollen das Beste für ihre Patienten." Wenn die Ärzteschaft diese Einstellung glaubwürdig vermitteln könne, vertrete sie Millionen von Wählern. "Nur davor haben die Politiker Respekt. Und das bedeutet wirklichen Einfluss. Nur derjenige, der die Öffentlichkeit überzeugt, überzeugt auch die Politik." (Referat Michael Spreng)

Moderator Dr. Wolfgang Klitzsch, ehemaliger Geschäftsführer der Ärztekammer Nordrhein, gelang eine viel gelobte Gesprächsführung, die den (nachstehend genannten) Podiums-Diskutanten so manches wichtige Detail zu entlocken wusste:

Im Mittelpunkt der Runde stand immer wieder Medizinstudentin Laura Herrmann, die das Auditorium gleich zu Beginn mit entwaffnender Ehrlichkeit verblüffte: "Wenn niemand in die Hausarztpraxis auf dem Land will - warum sollte ich dann dorthin?" Sie und ihre Kommilitonen seien zwar recht flexibel bei der Wahl ihrer späteren Tätigkeit, doch im Studium würden viel zu wenig Einblicke in Praxis und Klinik gewährt, kritisierte sie. Außerdem würden im Studium kaum Einstellungen und Werte vermittelt. Im Kontakt mit gestandenen Ärztinnen und Ärzten wolle sie deren Fremdbilder vom Arztberuf vermeiden und sich vielmehr einen eigenen Eindruck verschaffen, denn Klagen über den Arbeitsalltag schürten Ängste. Hier forderte Frau Herrmann mehr Ehrlichkeit gegenüber der nachwachsenden Generation.

Die Ärztin und Biologin Isabel Klör hatte ihr erstes Kind kurz nach dem zweiten Staatsexamen zur Welt gebracht. Wie sie berichtete, hatte sie beruflich fortan mit recht viel Gegenwind zu tun. Nicht zuletzt deshalb beklagte sie mangelnde Bereitschaft der älteren Kolleginnen und Kollegen für innovative und frische Ideen, mit denen die jüngere Generation gefördert und motiviert werden könnte.

Prof. Joachim Bauer vom Universitätsklinikum Freiburg beklagte, dass vielen Ärztinnen und Ärzten schon heute die "analoge" Kommunikation häufig verloren gehe; im Mittelpunkt stünden zunehmend die neuen Medien, denen sich das Arzt-Patienten-Verhältnis vielfach unterordnen müsse. Dabei sei doch erwiesen, dass empathische Ärzte die besseren Heilungserfolge hätten. Prof. Bauer spitzte diese Beobachtungen zu und postulierte, dass man nur dann ein guter Arzt sein könne, wenn man die Menschen mag.

Kammerpräsident Dr. Ulrich Clever erinnerte sich, wie kritisch er während seines Medizinstudiums immer gewesen war und wie diese Eigenschaft bei seiner Niederlassung verloren ging, wohl aufgrund eigener Unsicherheit in dieser neuen Situation. Dabei habe gerade der niedergelassene Arzt alle Freiheiten und könne sein Tun doch weitgehend eigenverantwortlich gestalten. Dieser Zusammenhang müsse nach seiner Ansicht der jüngeren Generation viel stärker vermittelt werden; die Ärztekammer könne diese Aufgabe übernehmen.

Immer wieder kam auch die Sicht der Patienten auf ihre Begegnung mit Medizinern zur Sprache. Es bestand Konsens, dass Kranke hohe Erwartungen an ihren Arzt und ihre Ärztin hätten. Primär ginge es beim eigenen Behandler um die souveräne Beherrschung der Fachlichkeit, aber auch um die Wahrnehmung des Patienten als Individuum. Ärztliche Entscheidungen müssten fachlich verantwortet werden und dürften nicht durch unternehmerische Interessen vergiftet werden, so die einhellige Meinung.

Auditorium

Das Auditorium beteiligte sich lebhaft an der Diskussion mit dem Podium. Kritische Fragen kamen genauso zu Wort wie Zustimmung zu einzelnen Thesen. Besonders erfreulich für Medizinstudentin Laura Herrmann waren gleich mehrere Wortmeldungen verschiedener Hausärzte, die ihren Beruf nicht nur als überaus attraktiv darstellten, sondern die junge Frau auch zu Hospitationen in ihren Praxen einluden, um sich selbst ein Bild zu machen. Eindrucksvoll auch das Beispiel eines Landarztes, der dazu riet, nicht mehr als 500 Scheine pro Quartal anzunehmen und seinem Beispiel zu folgen: Er habe auf diesem Wege Praxis und Familie integriert und sichere sich so sehr effektiv gegen Burnout ab.

Am Ende des kurzweiligen Ärztetags stand die Idee im Raum, die Ärztekammern künftig vielleicht zum Kommunikationsraum für die Begegnung unterschiedlicher Ärztegenerationen zu machen. Es herrschte Konsens, dass man die nachrückenden Generation viel mehr als bisher unterstützen und sie auf ihrem Weg in den Arztberuf konstruktiv begleiten sollte. Die Medizinstudenten von heute seien schließlich auch die Kammermitglieder von morgen. Einig war man sich zudem, dass die Ärzteschaft viel mehr als in der Vergangenheit ihre Begeisterung für ihren Beruf in der Öffentlichkeit artikulieren muss, nicht zuletzt, um der Demotivation der jüngeren Generation und damit auch dem Ärztemangel entgegenzuwirken.

Podium

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letzte Änderung am 28.07.2014