Gesundheits- und Berufspolitik im Mittelpunkt von Lageberichten der Kammerpräsidenten

Bezirksärztekammer-Vertreterversammlungen

Mitte November tagten die Vertreterversammlungen in den vier baden-württembergischen Bezirksärztekammern. Traditionell beraten die Delegierten dabei über den Kammerhaushalt des Folgejahres. Im Mittelpunkt standen jedoch auch diesmal wieder die Rechenschaftsberichte der Kammerpräsidenten, die einmal mehr berufs- und gesundheitspolitisch geprägt waren.

Nordbadens Kammerpräsident PD Dr. Christian Benninger setzte sich in Karlsruhe unter anderem kritisch mit dem Referentenentwurf für das Versorgungsstärkungsgesetz auseinander und fragte, warum Maßnahmen der Marktbereinigung, wie etwa die Stilllegung von Kassensitzen, von den Vertragsärzten selbst aus dem eigenen Honorartopf finanziert werden müssten. Die Terminservicestellen gaben ihm Anlass zur Sorge, schließlich würde damit das Recht auf freie Arztwahl nicht gestärkt, sondern unterlaufen. Außerdem sei nicht geklärt, wie die zu erwartende Leistungsausweitung finanziert werden solle. Es dürfe zudem nicht übersehen werden, dass die Krankenhäuser selbst händeringend Ärzte suchten. In Freiburg fasste die Vertreterversammlung der Bezirksärztekammer Südbaden nach den Ausführungen von Präsident Dr. Christoph von Ascheraden eine Resolution zum Gesetzentwurf, deren Kernsatz lautet: „Die geplante Schließung von Arztpraxen führt zu einer drastischen Verschlechterung der Patientenversorgung, zu längeren Wartezeiten und in der Konsequenz zu einer unerträglichen Belastung der Krankenhäuser. Das Ziel, Wartezeiten zu verkürzen, wird auf diese Weise konterkariert.“

Diesen Umstand betonte auch Südwürttembergs Kammerchef Dr. Michael Schulze in Reutlingen und ergänzte, dass die Terminservicestellen sicherlich zu noch mehr Bürokratie in den Arztpraxen führen werden. Er halte sie angesichts der KBV-Versichertenbefragung überhaupt nicht für erforderlich, zumal Patienten überwiegend gar keine Servicestelle wünschen, weil sie nicht zu irgendeinem Facharzt vermittelt werden wollten, sondern zum Arzt ihrer Wahl. Dr. Schulze betonte, dass man sich fragen müsse, wie der Gesetzgeber auf der einen Seite lange Wartezeiten reduzieren wolle, auf der anderen Seite aber den Abbau von Arztpraxen in angeblich überversorgten Regionen forciere.

Auch originär baden-württembergische Themen kamen in den regionalen Ärzteparlamenten zur Sprache: Nordwürttembergs Kammerpräsident Dr. Klaus Baier beklagte, dass für die anstehende Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes ein Formulierungsvorschlag vorgelegt worden war, wonach die Bezirksärztekammern nicht mehr zwingend über Vertreterversammlungen verfügen sollten. Er bezeichnete diesen Vorgang als schweren Eingriff in die ärztliche Selbstverwaltung und gab sich überzeugt, dass eine derartige Veränderung weder zielführend noch hilfreich wäre. Auch Dr. Benninger lehnte derartige Regelungen strikt ab und betonte, dass bei rund 63.000 Ärztinnen und Ärzten in Baden-Württemberg regionale Strukturen mit kompetenten Ansprechpartnern für die Mitglieder unverzichtbar seien.

Eindrucksvoll berichtete PD Dr. Benninger, dass im Oktober rund 500 Flüchtlinge in Bruchsal eingetroffen waren, ohne dass die medizinische Versorgung dieser Menschen auch nur im Ansatz gesichert gewesen wäre. Die Ärztekammer habe daraufhin über einen Aufruf kurzfristig freiwillige Ärztinnen und Ärzte gewonnen. Inzwischen sei man besser vernetzt und habe ein Koordinierungsgespräch mit allen zuständigen Stellen geführt.

Auf die in diesem Jahr bekannt gewordene Haftpflichtproblematik bei Hebammen wies Dr. Schulze erneut hin. Der Bundesgesundheitsminister habe inzwischen zwar eine Lösung geschaffen, aber die geburtshilflich tätigen Ärztinnen und Ärzte hätten weiterhin mit massiven Prämiensteigerungen der Haftpflichtversicherungsträger zu kämpfen. Die Bezirksärztekammer Südwürttemberg habe daher eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen, die Südwürttembergs Kammermitgliedern ab 2015 einen umfassenden Versicherungsschutz zu guten Konditionen gewähre.

Versorgungsplanung, Arbeitssituation und Ärztemangel gaben Dr. Baier Anlass, einige Aktivitäten seines Hauses darzustellen. So wurden inzwischen elf  Weiterbildungsverbünde zwischen Kliniken, niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg gegründet. Darüber hinaus erleichtere WBmed, ein neuartiges und einzigartiges EDV-System zur Planung und Dokumentation der ärztlichen Weiterbildung, den Assistenten und den Befugten die Arbeit. Wer seine Weiterbildung auf diese Weise dokumentiere und den Antrag elektronisch bei seiner Bezirksärztekammer einreiche, sei inzwischen von den Gebühren der Weiterbildungsprüfung befreit. Weitere Programmmodule, die weitere Erleichterungen auch für Fachgutachter ermöglichen, seien auf dem Weg.

Die Bezirksärztekammer-Präsidenten gingen auch auf zahlreiche weitere aktuelle Themen ein, darunter die Fachsprachenprüfung für ausländische Ärztinnen und Ärzte oder die Novellen von Weiterbildungsordnung und Gebührenordnung. Auch die gesetzlichen Regelungen zur Herstellung der Tarifeinheit sowie zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung wurden kenntnisreich kommentiert. Der Themenkanon der Präsidentenberichte ging bis hin zur Debatte von rechtlichen Regelungen zur Sterbehilfe oder, wie bei Dr. Christoph von Ascheraden, weit über Südbaden hinaus: Unter dem Eindruck der Generalversammlung des Weltärztebundes in Durban befasste er sich mit der Ebola-Epidemie in Westafrika. Kollegen, die sich vor Ort ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe machen konnten, berichteten nach seinen Worten über das grenzenlose Elend, das in den betroffenen Ländern herrsche. Von einer ausreichenden Versorgung vor Ort könne keine Rede sein. Sehr kritisch wurde angemerkt, dass die europäischen Staaten und Nordamerika viel zu spät und dann auch inkonsequent und ohne ausreichendes Konzept ihr Hilfsprogramm gestartet hätten.


Ehrungen in den Bezirksärztekammern

Hohe Auszeichnungen

Die Ehrennadel der Bezirksärztekammer Nordbaden überreichte PD Dr. Christian Benninger an drei Persönlichkeiten: Prof. Achim Weizel aus Mannheim ist Zeitzeuge der Gründungsphase und gehört bis heute dem Akademievorstand. Er wusste als wissenschaftlicher Leiter immer genau, welche inhaltlichen Themen fortbildungsrelevant und welche Referenten die geeigneten Ansprechpartner sind. Prof. Eberhard Siegel aus Karlsruhe steht seit 14 Jahren als zweiter stellvertretender Vorsitzender ebenfalls an der Spitze der Akademie. Dass sie zu einer Erfolgsgeschichte wurde, ist ganz wesentlich auch sein Verdienst. Dr. Bernd Walz aus Wildberg war jahrelang Vorsitzender der Ärzteschaft Calw und der Notfallkommission Nordbaden sowie Delegierter auf Bezirks- und Landesebene. Der ärztliche Berufsstand in Nordbaden wurde und wird durch ihn maßgeblich mitgestaltet und zum Positiven weiterentwickelt, so Dr. Benninger bei seiner Laudatio.

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PD Dr. C. Benninger, Prof. A. Weitzel, Dr. E. Siegel, Dr. B. Walz

Dr. Klaus Baier zeichnete Prof. Dr. Roland Eisele aus Göppingen mit der Ehrennadel der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg aus. Er ist seit 2006 Mitglied der Arbeitsgruppe „Umgang der Ärztekammer mit der NS-Vergangenheit“ und seit über elf Jahren als Prüfer im Weiterbildungsausschuss tätig. Ferner bereitet er ausländische Kollegen auf die Kenntnisprüfung vor.

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Prof. Dr. R. Eisele und Dr. K. Baier

Die Albert-Fraenkel-Plakette der Bezirksärztekammer Südbaden vergab Dr. Christoph von Ascheraden an Prof. Dr. Hildburg Kindt, die sich ihr ganzes Berufsleben lang für psychisch Kranke, insbesondere im Kindesalter eingesetzt hat. Über viele Jahre wirkte sie zudem bis heute in der Ethikkommission der Universität Freiburg mit. Ausgezeichnet wurde auch Dr. Friedrich Bettecken, der sich besonders sowohl in der Weiterbildung der Kinderärzte als auch der Kinderkrankenpfleger engagiert hatte. Als Rentner arbeitete er zweimal mehrere Monate als Kinderarzt auf den Philippinen und war Mitbegründer und erster Vorsitzender des Villinger Hospizvereins.

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Dr. C. von Ascheraden, Prof. Dr. H. Kindt, Dr. F. Bettecken, Dr. U. Voshaar

Dr. Michael Schulze ehrte den Vorsitzenden der Gutachterkommission für Fragen ärztlicher Haftpflicht der Bezirksärztekammer Südwürttemberg, Dr. iur. Albrecht Foth aus Rottweil, mit der Wilhelm-Griesinger-Medaille. Bereits seit 1990 setzt er sich für die Belange der Ärzteschaft ein und ist seit 2009 Vorsitzender der Gutachterkommission. Bei den jüngsten Kammerwahlen agierte er bereits zum zweiten Mal als Wahlleiter. Auch Helmut Schäfer aus Tübingen erhielt die Wilhelm-Griesinger-Medaille. Er war von 1999 bis 2014 Vorsitzender des Bezirksberufsgerichts für Ärzte. Dr. Schulze lobte besonders seinen hervorragenden Sachverstand, sein vorbildliches Engagement und sein großes Herz für die Belange der Ärzteschaft in Südwürttemberg.

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Dr. A. Foth, Dr. M. Schulze, H. Schäfer

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letzte Änderung am 17.11.2014