Alkoholbedingte Gewalt:

Ärzteschaft warnt vor gesellschaftlichem Schaden

Suchtmedizinisches Symposium der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Immer häufiger geschehen Straftaten unter Alkohol- und/oder Drogeneinfluss. Über den Zusammenhang von Rausch, Suchtmittelmissbrauch und Gewalt, insbesondere bei Jugendlichen, tauschten sich heute Ärzte, politisch Verantwortliche, Mitarbeiter von Beratungsstellen, Polizeiangehörige und weitere Experten bei einem Symposium der Landesärztekammer Baden-Württemberg aus.

Gerade in den großen Städten findet sich eine zunehmende Verunsicherung der Bürger, aber auch zufällig flanierender Passanten, wenn sie Zeugen von körperlicher Gewalt - häufig aus nichtigem Anlass - werden. Eltern sind besorgt, wenn sie ihre Kinder mit Freunden bei einem x-beliebigen Dorffest, einem Stadtteilfest oder bei einem musikalischen oder sportlichen Großereignis wissen. Die oft jugendlichen Täter können häufig überhaupt nicht erklären, wie es zur plötzlichen Eruption von verbaler und körperlicher Gewalt zwischen Menschen kam, die eigentlich zu einem fröhlichen Fest aufgebrochen sind.

Die baden-württembergische Ärzteschaft hat bei der Tagung betont, dass die Versorgung von Opfern körperlicher Gewalt, die unter Alkohol- und Drogeneinfluss Anderer zu Schaden kommen, teilweise erhebliche Ressourcen in den Kliniken und Praxen binden kann, die dann für weitere Notfälle nicht verfügbar seien. Neben unmittelbaren Kosten durch die notwendigen Behandlungen käme es auch zu mittelbaren Kosten, beispielsweise durch krankheitsbedingte Ausfälle und Wiedereingliederungs-Maßnahmen. Nach Überzeugung der Ärzte entstehe in der Summe ein nicht unerheblicher gesamtgesellschaftlicher Schaden.

Dr. Christoph von Ascheraden, Vorsitzender des Ausschusses "Suchtmedizin" der Landesärztekammer Baden-Württemberg, forderte nicht zuletzt deshalb von Politik und Gesellschaft gemeinschaftliche Anstrengungen zum Eindämmen dieser Entwicklung. Neben der Intensivierung von Information und wirksamer Vorbeugung müsse nach Ansicht von Ärztinnen und Ärzten verstärkt über Alkoholverbote in der Öffentlichkeit und ein abschreckendes Strafmaß für entsprechende Vergehen nachgedacht werden.

Die komplexe Problematik wird nach Überzeugung der Experten ohne Erörterung in Schule und Familie zur Sensibilisierung der jungen Menschen kaum eine Erfolgsaussicht haben. Auch örtlichen Sport-, Musik- und anderen Vereinen komme eine hohe Verantwortung zu, so eines der Ergebnisse der Tagung: der verantwortungsvolle Umgang mit Alkohol kann gerade in dieser Umgebung gut vermittelt werden.

Ärzte und Therapeuten könnten zudem nicht mehr der letzte "Rettungsanker" für abgeglittene Jugendliche sein. Im Gegenteil: Auch die Heilberufe seien leider immer häufiger ratlos, wenn sie im individuellen Gespräch Jugendlichen, die in eine Gewaltszene verwickelt waren, gegenübersitzen. Unter anderem deshalb dürften auch die Erziehungsberechtigten und die Schulen nicht aus ihrer Pflicht und Verantwortung gelassen werden; nur über sie komme man letztlich an die Jugendlichen heran, um nachhaltige Verhaltensänderungen zu bewirken, so die Landesärztekammer.

Ärztinnen und Ärzte werden das Thema Alkohol selbstverständlich weiterhin bei allen Patientenkontakten mitbedenken und ggf. ansprechen. Durch umfangreiche Fortbildungsmaßnahmen will die Landesärztekammer Baden-Württemberg auch künftig die Kompetenz zur suchtmedizinischen Versorgung auf hohem Niveau sicherstellen. Langfristige Erfolge können nach Ansicht der Experten aber nur in einer großen Koalition aus Ärzteschaft, Familien, staatlichen Stellen, Beratungsstellen und gesellschaftlichen Kräften erreicht werden.

Information für die Redaktionen
Das Symposium der Landesärztekammer Baden- Württemberg zu suchtmedizinischen Problemen findet traditionell am Buß-und Bettag in Stuttgart statt. Es hat sich in diesem Jahr mit dem Zusammenhang von Rausch, Suchtmittelmissbrauch und Gewalt, insbesondere bei Jugendlichen, beschäftigt. Einer der Referenten war der Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Reinhold Gall MdL, der nicht nur ein Grußwort hielt, sondern auch ein Grundsatzreferat zum Thema "Alkohol und Sucht bei Jugendlichen - zwischen zerstörerischen Gewaltexzessen und gesellschaftlicher Verantwortung" vortrug.

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letzte Änderung am 19.11.2014